Der Pixel-Vertex-Detektor umgibt das Strahlrohr und liegt nur 1,4 Zentimeter vom Kollisionspunkt (Vertex) entfernt. Damit lässt sich der genaue Zerfallsort kurzlebiger Teilchen akkurat bestimmen. Der PXD besteht aus 20 Pixeldetektoren – 75 Mikrometer dünnen Siliziummodulen, die lediglich so dick sind wie ein menschliches Haar. Der neue Detektor basiert auf der am Max Planck-Halbleiterlabor entwickelten DEPFET-Technologie. Sie liefert bis zu 50.000 hochaufgelöste Bilder pro Sekunde. Aufgezeichnet werden Zerfallsprodukte von B-Mesonen, die entstehen, wenn Elektronen und Positronen im SuperKEKB-Beschleuniger kollidieren.
„Das B-Mesonen System ist ein ideales Versuchsfeld um eine der fundamentalen Symmetrien der Natur zu studieren: Die Verletzung der CP-Symmetrie (Paritäts-Ladungssymmetrie) ist eine von drei Bedingungen, die erfüllt sein müssen um zu erklären, warum unser heutiges Universum fast vollständig aus Materie besteht“, erklärt der DESY-Wissenschaftler und PXD-Projektleiter Carsten Niebuhr. „Die hohe Präzision des Belle II-Detektors bietet in Kombination mit der großen Anzahl an Elektron-Positron-Kollisionen am SuperKEKB einzigartige Möglichkeiten, die CP-Verletzung und andere interessante Phänomene in viel höherem Detail zu untersuchen.“
Allerdings sind die Zerfallsprodukte der B-Meson-Zerfälle relativ niederenergetisch und werden in ihrem Durchgang durch die Materie leicht gestört. Daher müssen die ersten Detektorelemente des Belle II-Detektors so dünn wie möglich sein, so dass der PXD besonders fragil und extrem empfindlich in der Handhabung ist. „Wir sind sehr stolz darauf, dass die Münchner Gruppen wesentliche Teile des Detektorkonzepts und der Entwicklung beigesteuert haben“, sagt Hans-Günther Moser, Leiter der Belle II-Gruppe am MPP. „Mithilfe der DEPFET-Technologie kommen im Belle II-Experiment hochkomplexe und ultrasensitive Sensoren zum Einsatz, die auch in Satellitenexperimenten eingesetzt werden. Diese Technologie unterstreicht die weltweit einzigartige Kompetenz des Halbleiterlabors für Strahlungsdetektoren.“
Der Detektor fliegt Business Class
Bereits 2018 wurde eine erste, noch unvollständige Version des PXD im Belle II Detektor installiert und hat bereits wertvolle Resultate geliefert. Aber erst die neue und vollständige Version ist in der Lage mit der hohen Luminosität umzugehen, die in den nächsten Jahren im SuperKEKB erreicht werden soll. Der Transport nach Japan war aufwendig: Zunächst musste der empfindliche Detektor über normale Verkehrsstraßen von seinem Montageort am Max-Planck-Institut für Physik in München zum DESY überführt werden, um dort kritische Funktionsprüfungen und Optimierungen der Detektorparameter vornehmen zu können.
Nach der erfolgreichen Testphase, wurde der neu montierte Detektor auf seine nächste Reise geschickt – dieses Mal viele tausende Kilometer nach Osten, nach Japan. Die Flugreise wartete mit neuen Herausforderungen auf; unerwartete Turbulenzen und unsachgemäße Lagerung während des Transits hätten leicht einen der empfindlichen und unbezahlbaren Siliziumsensoren zerbrechen können. Um gegen solche Gefahren gewappnet zu sein und Vibrationen auf ein absolutes Minimum zu reduzieren, wurde der Detektor von dem Team speziell verpackt. Der PXD reiste in der Business-Class und bekam so genug Platz auf einem eigenen Sitz, während das Team ihn die ganze Reise über ‚Babysitten‘ konnte.
Zum Jahreswechsel nimmt der PXD2 seine Arbeit auf
„Die Installation und Inbetriebnahme des PXD besteht nicht nur in der Vorbereitung und Integration des sehr fragilen Detektors selbst, sondern auch in der Inbetriebnahme eines komplexen Service-Systems aus maßgeschneiderter Stromversorgung und Ausleseelektronik“, erklärt der DESY-Wissenschaftler Fabian Becherer, der als Mitglied des PXD-Installationsteams mehrere Monate am KEK verbrachte. Besonders wegen des sehr limitierten Raumvolumens innerhalb des Belle II-Detektors sei die Installation eine extrem herausfordernde Aufgabe, die eine enge Zusammenarbeit mit verschiedenen anderen Detektorgruppen verlange, um potentielle Konflikte zu vermeiden.
Der frisch eingebaute Detektor soll Anfang 2024 mit der Datennahme beginnen. „Es war eine jahrelange und herausfordernde Reise um an diesen Punkt zu gelangen. Ich bin stolz auf das gesamte PXD-Team, das dieses Ziel möglich gemacht hat und bin begeistert an diesem großen Moment teilhaben zu dürfen“, so Botho Paschen, Wissenschaftler an der Universität Bonn und technischer Koordinator des PXD-Projektes. „Ab Ende des Jahres endlich Physik Daten mit einem vollständigen Detektor nehmen zu können, ist eine spannende Aussicht.“
Laci Andricek vom Halbleiterlabor in München und Mitentwickler des PXD-Detektors resümiert: „Es ist aufregend und erleichternd zugleich, miterleben zu dürfen, wie der PXD von der Konzeption des Detektors, über die Entwicklung und Herstellung der Sensoren und Module am Halbleiterlabor der Max-Planck-Gesellschaft bis hin zur Integration am MPP und DESY, endlich an seinem Ziel ankommt.“
An der Entwicklung und Konstruktion des PXD waren das DESY, das Max-Planck-Institut für Physik und das Halbleiterlabor der Max-Planck-Gesellschaft (beide in München), die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, die Justus-Liebig-Universität Gießen, die Georg-August-Universität Göttingen, die Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, die Ludwig-Maximilians-Universität München, die Technische Universität München und das Karlsruher Institut für Technologie, sowie weitere Institute aus Spanien und der Tschechischen Republik beteiligt.
Die deutschen Arbeitsgruppen im Belle II-Experiment werden mit Finanzmitteln folgender Einrichtungen und Programme gefördert:
- Alexander von Humboldt Foundation
- Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
- Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), insbesondere im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder:
- „ORIGINS“: EXC-2094 – 390783311
- “Quantum Universe”: EXC-2121 – 390833306
- European Research Council
- European Union’s Horizon 2020 – grant agreement No 822070
- Helmholtz-Gemeinschaft
- Max-Planck-Gesellschaft