Die Leptonen-Universalität: Ein physikalisches Grundprinzip steht auf dem Spiel
Einer der Grundpfeiler der modernen Teilchenphysik ist die sogenannte Leptonen-Universalität. Dieses Prinzip besagt, dass sich die drei geladenen Leptonen – das bekannte Elektron und seine beiden schweren Schwestern, das Myon und das Tau-Lepton – in Bezug auf die elementaren Grundkräfte identisch verhalten. Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft sollten sich die Teilchen nur durch ihre Masse unterscheiden. Allerdings wird diese Grundannahme durch einige Messungen infrage gestellt: Denn in den Experimenten BaBar, LHCb und Belle (das Vorgängerexperiment von Belle II), zerfielen B-Mesonen konsistent etwas häufiger in die schweren Tau-Leptonen als in ihre leichteren Schwestern. Bisher waren diese Messungen statistisch noch nicht präzise genug, um eindeutige Aussagen zu treffen. Könnte man diese Brechung der Leptonen-Universalität bestätigen, wäre das eine physikalische Sensation und würde auf bisher völlig unbekannte physikalische Phänomene hinweisen.
Belle II und die ‚inklusive Messung‘
Und hier kommt Belle II ins Spiel: Das neue Belle-II-Experiment in Japan wurde gebaut, um solche Fragen durch besonders präzise Messungen beantworten zu können. Mit den neuen Belle II-Daten ist es Wissenschaftlern der Universität Bonn in Zusammenarbeit mit der University of Melbourne nun erstmals gelungen, die Universalität der beiden leichten Leptonen umfassend zu prüfen. Durch die Messung des Verhältnisses von direkt erzeugten Elektronen und Myonen in B-Meson-Zerfällen, kürzen sich viele der Unsicherheiten heraus, die mit dem Teilchenzerfall einhergehen, was eine äußerst präzise Messung ermöglicht.
Die einzige vergleichbare Veröffentlichung einer solchen verhältnisbasierten Analyse, stammt von dem Vorgängermodell Belle. Damals hat man die Messungen für eine größere Kontrolle der physikalischen Prozesse auf hadronische Endzustände beschränkt, die bei den B-Mesonen Zerfällen neben den Leptonen entstehen müssen. Bei Belle II trägt nun jeder mögliche Zerfall zur Messung bei - Wissenschaftler sprechen von einer „inklusiven“ Messung. Dies erfordert besondere experimentelle Bedingungen, die heutzutage weltweit nur noch das Belle II Experiment bietet: Man muss den Anfangszustand genau kennen und in der Lage sein, alle messbaren Zerfallsprodukte durch den Detektor zu rekonstruieren.
Die Universalität ist bestätigt – die Forschung geht weiter
Mit der neuen Belle II-Messung konnte der theoretisch erwartete Wert der Universalität nun mit einer nur geringen Abweichung rekonstruiert werden, sodass die Universalität zwischen Elektronen und Myonen in dieser Messung als bestätigt angesehen werden kann. Dies ist die bisher genauste vergleichbare Testung der Leichten-Leptonen-Universalität im Zusammenhang mit B-Meson-Zerfällen und die erste für den inklusiven Zerfall überhaupt. Für diese Messung wurde lediglich der halbe, bisher verfügbare Belle II Datensatz ausgewertet, sodass man gespannt weiteren Veröffentlichungen entgegenfiebern darf.
https://arxiv.org/abs/2301.08266
Die deutschen Arbeitsgruppen im Belle II-Experiment werden mit Finanzmitteln folgender Einrichtungen und Programme gefördert:
- Alexander von Humboldt Foundation
- Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
- Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), insbesondere im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder:
- „ORIGINS“: EXC-2094 – 390783311
- “Quantum Universe”: EXC-2121 – 390833306
- European Research Council
- European Union’s Horizon 2020 – grant agreement No 822070
- Helmholtz-Gemeinschaft
- Max-Planck-Gesellschaft
- Studienstiftung des deutschen Volkes