Was wärst Du geworden, wenn Du nicht Physiker geworden wärst?
Als Kind habe ich – wie meine Mutter etwas zu gern erzählt – als Berufswunsch „Fußballstar oder Physik-Professor“ angegeben. Glücklicherweise hat sich die etwas realistischere Selbsteinschätzung rechtzeitig durchgesetzt. Etwas aktueller habe ich mich vor dem Physik-Studium ein Jahr lang als Maschinenbauer versucht, bevor ich für das Verständnis der tieferen Fragen (siehe unten) letztlich doch in die Physik gewechselt bin.
Was begeistert Dich in Deiner Arbeit bei Belle II?
Es ist spannend und motivierend, in einer großen internationalen Kollaboration mit vielen anderen Wissenschaftlern gemeinsame Ziele zu verfolgen. Im Gegensatz zu den größten Experimenten am CERN, an denen ich meine Bachelor- und Masterarbeit geschrieben habe, stellt Belle II unser aktuelles Wissen in der Teilchenphysik mit dem Präzisionsansatz auf die Probe. Wir suchen bei Belle II nicht direkt nach neuen Elementarteilchen oder neuen physikalischen Phänomenen, sondern wir versuchen diese „in den Nachkommastellen“ gewisser Eigenschaften der Teilchen aufzuspüren. Damit wird Belle II in den nächsten Jahren eine deutlich größere indirekte „Reichweite“ für neue physikalische Phänomene erreichen, als es in direkten Suchen am CERN möglich ist. Belle II ist außerdem ein neues Experiment, weswegen es mich gereizt hat, für die Doktorarbeit zu diesem zu wechseln. Hier habe ich die Möglichkeit, gewisse Studien erstmalig zu machen und damit aktuelle Fragen der Teilchenphysik sehr innovativ voranzubringen.
Wie wurde Dein Interesse für Teilchenphysik / Belle II geweckt?
Für mich steht die Teilchenphysik für die „großen philosophischen Fragen“. Was ist das Universum? Warum und wie funktioniert es? Wie und vielleicht sogar wieso ist es entstanden? Was ist überhaupt Realität? Zwar kann die Teilchenphysik (aktuell?) nicht alle genannten Fragen beantworten, aber es ist mein Weg, den Antworten zu diesen Fragen näherzukommen.
Woran arbeitest Du gerade und was hat Dich daran fasziniert?
Aktuell arbeite ich an einer Messung, welche die Wahrscheinlichkeit des Zerfalls von B-Mesonen in leichte Leptonen wie Elektronen mit der vergleicht, in die schweren Tau-Leptonen zu zerfallen. Dieser Vergleich ist deswegen spannend, weil man den Erwartungswert theoretisch sehr präzise berechnen kann und mögliche, bisher unbekannten physikalischen Phänomene eine merkbare Änderung dieses Wertes zur Folge haben könnten. In der Vergangenheit wurden tatsächlich in mehreren unabhängigen Messungen und Experimenten Abweichungen festgestellt, die konsistent in eine sehr spannende Richtung deuten. In meiner Doktorarbeit überprüfe ich diese Eigenschaften auf „inklusive“ Art und Weise. Das bedeutet, dass ich neben den Leptonen keine Anforderungen an hadronische Zerfälle des B-Mesons stelle und damit das bisher umfassendste Bild dieser sogenannten Anomalie bekommen werde, was an einem auf B-Mesonen spezialisierten Experiment je gemessen wurde.
Warst Du auch in Japan bei Belle II? Wenn ja, was hat am meisten Eindruck hinterlassen?
Leider habe ich es bisher aufgrund der Pandemie-Jahre noch nicht nach Japan geschafft. Ich würde mich aber für das nun anbrechende letzte Jahr meiner Promotion freuen, wenigstens einmal das Experiment mit eigenen Augen gesehen zu haben. Generell gefällt mir die Internationalität des Experiments sehr gut und es unterstreicht die Wichtigkeit der Arbeit, wenn man die regelmäßig angesetzten Fachmeetings zeitlich zwischen verschiedensten Zeitzonen von Ozeanien über Europa bis nach Amerika in Einklang bringen muss. Da ich persönlich viel mit Wissenschaftlern aus Melbourne zusammenarbeite, konnte ich im Rahmen meiner Promotion bereits zweimal für längere Zeit nach Australien reisen, was die fehlende Japan-Erfahrung bisher durchaus ein wenig kompensieren konnte (wenn auch natürlich auf völlig andere Art und Weise).
Was machst Du am liebsten, wenn Du gerade nicht mit Belle II beschäftigt bist?
Ich spiele gerne Volleyball und habe dementsprechend genossen, dass meine Forschungsaufenthalte in Melbourne für mich die Beach-Saison verlängert haben. Generell bin ich ein sozialer Mensch und interagiere genauso gerne mit Nicht-Physiker*innen wie mit Physiker*innen.
Was ist für Dich der verblüffendste/interessanteste wissenschaftliche Fakt?
Dass mit unserem aktuellen Wissen tatsächlich alle physikalischen Phänomene auf nur drei Grundeigenschaften („Symmetrien“) des Universums zurückzuführen sind. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass diese wiederum verschiedene Manifestierungen einer einzigen Grundeigenschaft sein könnten, was gerne mal „Die Weltformel“ genannt wird.
Was, glaubst Du, wird die nächste (teilchen-)physikalische Entdeckung?
Ich persönlich bin sehr gespannt auf das im All geplante Gravitationswellenprojekt LISA, von welchem ich mir Erkenntnisse erhoffe, welche unser Bild vom Kosmos entscheidend prägen werden. Aber die Teilchenphysik hat ihrer Historie häufiger völlig überraschende Entdeckungen hervorgebracht, weswegen die nächsten 15 Jahre mit Belle II und dem CERN sicherlich aufregend bleiben.
Wo kommst Du her?
Ich bin in Münster geboren und aufgewachsen.
Was würdest Du jemandem erzählen, der noch ganz am Anfang steht und in das Belle II-Projekt einsteigen möchte?
Gute Wahl und viel Spaß.